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Märchenstunde mit Mozart

Wolfgang Amadeus Mozarts „Zauberflöte“ gilt gemeinhin als Einsteigeroper für das junge Publikum – und das, obwohl sie inhaltlich auch fast 230 Jahre nach der Uraufführung Rätsel aufgibt. An der Wiener Volksoper feierte am Samstag eine Neuinszenierung Premiere, die sich auf die nicht so kryptischen Seiten des Werks konzentriert: als sympathisch buntes Märchen mit einem ganzen Tierpuppenzoo erzählt – musikalisch flott und einnehmend.

Die Frage nach der Bedeutung von Freimaurersymbolik, aufklärerischen Gedanken und mythologischen Bezügen in der „Zauberflöte“ beschäftigt seit Generationen die Musikwissenschaft. Der Spagat, den die Oper zwischen der Kasperliade des Alt-Wiener Zaubertheaters und intellektuellem Rätselwerk schlägt, macht es aber auch bei jeder Neuinszenierung spannend, wie diese Zwiespältigkeit gelöst wird.

Die „Zauberflöte“ des in London geborenen Regisseurs Henry Mason ist in ihrer Haltung da recht klar – er deutelt nicht viel herum an Logenkult und Ägyptomanie, sondern bleibt beim Märchen. An den ausgespielten Dialogen, die von feiner Klinge bis derben Schmäh alles hergeben, kennt man dem Regisseur seine Sprechtheatererfahrung an – die enge Vertrautheit mit Komödien macht sich genauso bemerkbar und bezahlt wie seine Expertise im Bereich Kinder- und Jugendtheater.

Szene aus der Zauberflöte: Martin Mitterrutzner (Tamino), Puppenspieler

Volksoper Wien/Barbara Palffy
Die Schlange: Die erste und größte der unzähligen Tierpuppen, die in der Volksopern-„Zauberflöte“ die Bühne bevölkern

Im Land der Papageientaucher

Wenn hier also Papageno vom Vogelfang singt, dann ist es gleich eine ganze Papageientaucherkolonie, die sich auf der Bühne breitmacht und über die felsige Gegend watschelt, bis der eine oder andere sein Schicksal als Geflügelkeule auf dem Teller der Königin der Nacht beendet. Geführt von sieben Puppenspielern sind die Vögel und eine beeindruckende Riesenschlange auch nur der Anfang einer ganzen Reihe von fantasievollen Figuren der neuseeländischen Puppendesignerin Rebekah Wild.

In der Ausstattung von Jan Meier spiegelt sich die bipolar angelegte Welt des Werks: Die Nachtwelt der Königin ist eine karge Felslandschaft in Blautönen, Sarastros Männerwelt ein Wüstenstaat. Die ebenfalls von Meier gestalteten Kostüme würden sich auch in einer Bewerbungsmappe bei Disney gut machen – der Puffin-Papageno sowieso, dazu eine sternflammende Königin, die Maleficent Konkurrenz machen könnte, und mit Pamina eine Prinzessin, die zeitgemäß emanzipiert auftritt. Tamino ist ein Prinz aus dem Bilderbuch, dem Schwiegermütter ihre Prinzessinnen ungeprüft überlassen würden, und die drei (Wiener Sänger-)Knaben werden mit Puppen gedoppelt, die Antoine de Saint-Exupery gezeichnet haben könnte.

Tanzende Hunde im Tutu

Sarastro wirkt als Diktator einer Bananenrepublik mit orientalisch-kolonialer Eingeweihtenarmee wenig bedrohlich, seine Rottweilerschergen sind kurz ein bisschen unheimlich, werden dann aber zu tutuberockten Balletthunden – ein zeitloser Schmäh (in der Staatsoper tanzen Polizisten), der für Erheiterung und Szenenapplaus sorgt.

Yasushi Hirano (Sprecher, Zweiter Geharnischter), David Sitka (Zweiter Priester), Stefan Cerny (Sarastro), Daniel Ohlenschläger (Erster Priester), Alexander Pinderak (Erster Geharnischter), Chor, Komparserie

Volksoper Wien/Barbara Palffy
Tanzende Löwen in Sarastros tropischer Männergesellschaft

Alle freuen sich

Im ersten Teil funktioniert das Konzept sehr gut: viel zu schauen, viel zu schmunzeln. Der zweite Akt ist undankbarer, die Prüfungen sind nicht nur lang, sondern auch schwer zu erzählen – vor allem, wenn man sich eben auf die Zauberposse mit Liebesgeschichte konzentriert und den komplexeren Kampf zwischen den Mächten weitgehend mit erzählt. Irgendwie geht sich das aber dann auch aus – und am Ende ist sowieso alles gut und blumig-bunt: Alle freuen sich.

Hinweis

„Die Zauberflöte“ ist in der Volksoper noch am 21., 25. und 30. Oktober, am 5., 12., 18., 25. und 29. November, sowie am 3. und 9. Dezember zu sehen; weitere Termine folgen im kommenden Jahr.

Die deutsche Dirigentin Anja Bihlmaier sorgt am Pult des Volksopernorchesters für ein gutes Tempo und bringt Solisten, Chor und den Graben in ein stimmiges musikalisches Gesamtbild, das mit der Inszenierung harmoniert. Die Sängerbesetzung ist eine Mischung aus Gästen und Hausensemble.

Ensemblemitglied Jakob Semotan debütierte mit viel komödiantischem Talent als Papageno. Sarastro Stefan Cerny hatte ein Heimspiel mit seiner Rolle, für die er vergangene Saison auch am Londoner Covent Garden Kritikerlob verbuchen konnte, und auch die Texanerin Rebecca Nelsen beweist an der Volksoper schon länger ihre Stimme als bestens besetzte Pamina. Ihr zur Seite gaben Martin Mitterrutzner als Tamino und Anna Siminska als Königin der Nacht ein überzeugendes Hausdebüt.

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