Guido Holze


FAZ-Rezension: HR – Sinfonieorchester „Beim wilden Festbankett“

„wie Anja Bihlmaier das hr-Sinfonieorchester befeuert, zum Schwingen bringt und wie begeistert ihr alle folgen, ist schön anzusehen. Und das klangliche Ergebnis, das die 1978 geborene deutsche Chefdirigentin des Den Haager Residentie Orkest in der Reihe „Auftakt“ im Sendesaal erzielte, war so herausragend, dass man ihr eine große Zukunft voraussagen kann. Für die ebenso exzellente Cellistin Anastasia Kobekina breitete das Orchester in Tschaikowskys Variationen über ein Rokoko-Thema op. 33 einen sanften Teppich aus…

Der spektakulärste Beitrag folgte mit der „Musique pour les soupers du Roi Ubu“ für Orchester und Combo von Bernd Alois Zimmermann. Was es mit dem in den Sechzigerjahren entstandenen „schwarzen Ballett“ um ein Festbankett des gefräßigen und sadistischen Usurpators König Ubu, den der französische Dramatiker Alfred Jarry erdacht hatte, auf sich hat, erläuterte Bihlmaier vorab bündig und so informativ, dass die Zuhörer der wilden, mehrteiligen Collage trotz des teils hohen Dissonanzgrades dann amüsiert und gebannt folgten. Was sich in dem, laut Bihlmaier, „zu hundert Prozent aus Zitaten“ bestehenden, genialen Zusammenschnitt in knapp 20 Minuten alles überlagert, ist kaum zu beschreiben. Es reicht von Renaissance-Tänzen, die als eine Art Grundierung unter dem kunterbunten Gemisch in Bihlmaiers transparenter und im wahrsten Sinne vielschichtiger Interpretation klar durchschimmerten, über Bach und Bizet bis Stockhausen. Ein krasser Höhepunkt ist die Kombination von Wagners „Walkürenritt“ mit dem „Marsch zum Schafott“ aus der Symphonie Fantastique von Berlioz. Schumanns Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120 passte zwar nicht zu den beiden so unterschiedlich rückbezogenen Werken, war aber ebenso trennscharf und durchsichtig gestaltet, mit voller Zugkraft unter einem riesigen Spannungsbogen zusammenhängend.“

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